Fragen zu Anpassungen im Schweizer Finanzmarktrecht zum Thema Sustainable Finance und Greenwashing
An das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF)
Per E-Mail an: ines.barnetta@sif.admin.ch
FNG-Beitrag zu den Fragen aus dem Schreiben vom 19. Januar 2021
FNG-Beitrag zu den Fragen aus dem Schreiben vom 19. Januar 2021
Sehr geehrte Frau Barnetta, sehr geehrter Herr Baumann
Gerne nehmen wir zu den Fragen zu allfälligen Anpassungen im Finanzmarktrecht zum Thema Sustainable Finance und Greenwashing wie folgt Stellung.
1. Sehen Sie Bedarf für Anpassungen im Schweizer Finanzmarktrecht, mit Blick auf die EU-Verordnung 2020/852 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (Taxonomie) und warum? Falls ja, Beschreibung der konkreten Anpassungen und des Zeithorizontes.
Eine Taxonomie, wie sie von der EU in der Verordnung 2020/852 beschrieben wird, ist unseres Erachtens eine wesentliche Grundlage, um den Nachhaltigkeitsdiskurs zu steuern und ein vergleichbares Verständnis nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten zu schaffen. Erst auf einer solchen Grundlage ist es möglich, Wirtschaftsaktivitäten und –in einem zweiten Schritt –Finanzprodukte auf ihre Nachhaltigkeithin zu prüfen und zu vergleichen.
Eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren einer Taxonomie ist die Anwendbarkeit auf die Realwirtschaft. Sie muss eine Grundlage für die Berichterstattung der Unternehmen der Realwirtschaft darstellen.Erst auf dieser Basis ist die Konzeption und Steuerung entsprechend ausgerichteter Anlageportfolios möglich.
Die Erstellung einer Taxonomie ist –das zeigen die Erfahrungen in der EU –äusserst komplex und mit einem grossen Aufwand verbunden, bis hin zurDefinition möglichst klarer technischer Standards. Zudem wird sich eine Taxonomie weiterentwickeln müssen, um neue und veränderte Wirtschafts-aktivitäten adäquat widerspiegeln zu können. Dazu kommt der erhebliche Aufwand für die Erhebung der relevanten Daten aus den Unternehmen der Realwirtschaft.
Wir beobachten hier verschiedene internationale Bestrebungen für eine «common ground taxonomy», beispielsweise in der «International Platform on Sustainable Finance (IPSF)», die wesentlich von der EU und von der EU-Taxonomie bestimmt wird und bei der die Schweiz auch bereits mitwirkt.
Vor diesem Hintergrund erachten wir es als nicht zielführend, wenn die Schweiz eine eigene Taxonomie entwickeln würde. Vielmehr soll angestrebt werden, dass eine Taxonomie möglichst international als Grundlage für die Ermittlung des Nachhaltigkeitsgrades wirtschaftlicher Tätigkeiten und somit auch von Finanzdienstleistungen herangezogen wird. Zumal Investmentportfolios international zusammengesetzt sind.
Dazu kommt, dass wir nichtdavon ausgehen, dass internationale Anbieter von Nachhaltigkeitsdaten ihr Daten-Angebot zu vertretbaren Kosten auf eine schweizerische Taxonomie ausrichten würden. Solche höheren Kosten wären schlussendlich direkt oder indirekt durch die Anleger*innen zu tragen. Aus unserer Sicht ist es daher erstrebenswert, wenn die EU-Taxonomie im Rahmen einer Branchenregelung eingeführt und anerkannt wird, idealerweise in einer passenden Art und Weise, welche die Exportfähigkeit und Äquivalenzanerkennung schweizerischer Finanzprodukte in der EU sicherstellt.
Auf jeden Fall muss ein «Swiss Finish» vermieden werden. Schweizerische Finanzmarkakteure, welche bereits die EU-Taxonomie anwenden, sollen nicht zu einem weiteren Standard verpflichtet werden. Mit einem gemeinsamen Standard schlussendlich erhalten die Anleger*innen eine breite Palette nachhaltiger Anlageprodukte zur Auswahl, die international vergleichbar ist.
2. Sofern Sie eine Einführung einer Taxonomie als notwendig erachten, welche Freiheitsgrade bestehen bezüglich einer praktikablen Umsetzung in der Schweiz, ohne die oben genannten Ziele zu beeinträchtigen?
Schweizerische Finanzmarktakteure, die im EU-Markt tätig sind, müssen bereits heute die entsprechenden Vorgaben der EU-Taxonomie berücksichtigen. Es ist davon auszugehen, dass sie ihre Produkte auch für den Schweizer Markt an denselben Vorgaben ausrichten. Es ist daher essenziell, dass die Produkte nach diesem Standard auch in der Schweiz vollumfänglich anerkannt sind.Demgegenüber sollen Anbieter, die nur für den schweizerischen Markt Finanzprodukte anbieten, einen angemessenen Spielraum, auch zeitlich, für eine angepasste Umsetzung erhalten. Zwecks besserer Vergleichbarkeit der Finanzprodukte für Anleger*innen erscheint uns jedoch eine mittelfristige Angleichung an die EU-Taxonomie erstrebenswert.