Neuer Börsenindex für verantwortliches Investieren - Chance vertan

Immer mehr Mainstream-Anbieter schreiben sich Investments nach ESG (Environmental, Social and Governance)-Kriterien auf die Fahnen. Vor kurzem kündigte der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock, der weltweit 7 Billionen USD an Assets verwaltet, an, sich aus Investitionen in Unternehmen, die mehr als ein Viertel ihrer Einkünfte mit Kohle verdienen, zurückzuziehen. Letzte Woche hat nun auch die Deutsche Börse einen neuen Nachhaltigkeits-Index geschaffen, den DAX 50 ESG. Die Deutsche Börse reiht sich damit ein in eine Reihe von bereits existierenden Nachhaltigkeitsindices (z.B. Dow Jones Stoxx Sustainability Index, Natur-Aktien-Index, VÖNIX oder Global Challenges Index der Börse Hannover).
Begrüßenswert ist daran, dass die Popularität eines DAX nun auch für das Thema Nachhaltigkeit genutzt wird und dadurch eine Art Referenz für große deutsche Konzerne geschaffen wird. Als eine der größten Börsen weltweit, sind die Vorhaben der Deutschen Börse für viele Finanzmarktakteure richtungsweisend und der Einfluss von Indices auf die Portfolien der Vermögensverwalter ist groß. Mit dem neuen Index könnte also potenziell eine große Lenkungswirkung hin zu nachhaltigeren Wirtschaftsaktivitäten im Sinne der Pariser Klimaziele und der SDGs erzielt werden.
Doch wie aussagekräftig ist der Index wirklich, verfügt er über die wesentlichen Elemente einer Nachhaltigkeits-Benchmark?

FNG-Siegel
Als Pionier der SRI-Szene und Entwickler des SRI-Qualitätsstandards FNG-Siegel vergleicht das FNG den Index zunächst mit den im FNG-Siegel vorgeschriebenen Kriterien und begrüßt, dass die Mindestkriterien der Ausschlüsse von Unternehmen, die systematisch und/oder schwerwiegend gegen die Prinzipien des UN Global Compacts verstoßen oder deren Geschäftsmodell auf Waffen und Rüstung, Kernkraft, Kohle, Fracking oder Ölsanden basiert, eingehalten werden. Außerdem wendet der DAX 50 ESG die nachhaltige Anlagestrategie der ESG-Integration an. Aus Sicht des FNG ist dies für eine Nachhaltigkeits-Benchmark allerdings nicht ausreichend, da die Bandbreite nachhaltiger Anlagestrategien wesentlich größer ist und neben Ausschlusskriterien auch positive Kriterien und vor allem auch Dialogstrategien wie Stimmrechtsausübung und Engagementprozesse umfasst.

Transparenz
Vor dem Hintergrund des von der Bundesregierung vorgelegten Ziels, Deutschland zu einem führenden Sustainable Finance Standort zu machen, hätte die Deutsche Börse die Chance nutzen können, die Zulassungsbedingungen der sich für den Index qualifizierenden Unternehmen im Nachhaltigkeits-Sinne anzupassen, so dass diese auch spezifischen Berichtspflichten hätten unterliegen müssen. Darüber hinaus hätte die Börse in ihrer Kernfunktion als Handelsplatz die Nachhaltigkeitsdaten der im Index enthaltenen Aktien transparent veröffentlichen können. Mit solchen Maßnahmen könnte man gerade vor der anstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft ein Börsensegment mit einem führenden Best-Practice Standard in puncto Transparenz und Vergleichbarkeit schaffen.
Leider ist es aktuell für Anleger nicht ersichtlich, um wie viel besser der ESG Score des DAX 50 ESG gegenüber dem konventionellen DAX abschneidet. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des angewandten Nachhaltigkeitsansatzes werden durch einige im Index inkludierte Unternehmen gesät. Hier war wohl das Kriterium der Marktkapitalisierung vorrangig.

Impact
Aktuelle Standards der Sustainable Finance-Debatte wie die EU-Regulierung zur Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, die Empfehlungen der Task Force on Climate Related Disclosure zur Klimaberichterstattung oder die Sustainable Development Goals werden in dem Index nicht aufgegriffen. Darüber hinaus gibt es keine Messung der Wirkung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch den DAX 50 ESG das Thema verantwortliches Investieren weiter in die Breite getragen wird. Eine Vorreiterrolle der Deutschen Börse in Bezug auf Sustainable Finance wurde damit jedoch nicht erzielt.