„FinTechs könnten Impulse für eine Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit geben“
Welches Potenzial bietet FinTech für eine nachhaltige Finanzwirtschaft? Vor welche Herausforderungen stellt die Digitalisierung Banken? Welche Möglichkeiten für nachhaltige Innovationen eröffnet die Blockchain-Technologie? Mit diesen Themen befasst sich Sanika Hufeland, Business Developer beim Institute for Social Banking und Mitinitiatorin der Veranstaltungsreihe Conscious FinTech. Das FNG hat mit ihr gesprochen.
FNG: Zunächst vorab: Was ist mit dem in den letzten Jahren immer häufiger gebrauchten Schlagwort FinTech eigentlich genau gemeint?
Hufeland: FinTech steht für Finanztechnologie. Ganz allgemein geht es darum, Technologien zu nutzen, um Finanzdienstleistungen effizienter zu machen. Im Bereich Banken und Versicherungen stehen ganz verschiedenartige Produkte und Dienstleistungen im Fokus. Sie reichen von Front-End-Anwendungen, also grafischen Benutzeroberflächen, bis zu digitalen Währungen wie beispielsweise Bitcoin und der dahinterliegenden Technologie.
FinTech-Unternehmen – kurz FinTechs – sind also in sehr unterschiedlichen Bereichen zu finden. Als konkretes Beispiel kann der Zahlungsbereich angeführt werden, wo es etwa um so genannte Digital Wallets geht – eine Art elektronischer Geldbörse – oder um Peer-to-Peer Payments, bei denen Zahlungen zwischen Individuen ohne einen Intermediär wie einer Bank abgewickelt werden können. Breiter bekannt in der Öffentlichkeit dürften Anwendungen im Zusammenhang mit Investitionen und Finanzierungen sein, etwa Crowdinvesting, Crowdlending und Crowdfunding.
<< Neben aktuellen Themen wie der Niedrigzinsphase und verstärkter Regulierung wird häufig auch die Digitalisierung genannt. >>
FNG: Warum befasst sich das Institute for Social Banking mit FinTechs?
Hufeland: Das ISB interessiert sich als Bildungs- und Forschungseinrichtung im Bereich der Social Banks – bzw. der werteorientierten Banken natürlich dafür, an welchen Herausforderungen diese arbeiten und was sie intern beschäftigt. Neben aktuellen Themen wie der Niedrigzinsphase und verstärkter Regulierung wird häufig auch die Digitalisierung genannt. In diesem Zusammenhang geht es dann immer auch darum, Dienstleistungen und Produkte zu digitalisieren, effizienter und schneller zu machen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und Allianzen mit anderen Unternehmen zu bilden. Und genau da setzen FinTechs an.
FNG: Und dann haben Sie die Veranstaltungs-Reihe „Conscious FinTech Meetup Berlin“ ins Leben gerufen. Wie lässt sich dieses Veranstaltungsformat charakterisieren?
Hufeland: Das erste „Conscious FinTech Meetup“ hat im Januar 2016 stattgefunden. Es beschreibt eine Veranstaltungsreihe, die darauf abzielt, eine Debatte über achtsame, nachhaltige, soziale, verantwortliche und Impact getriebene Innovationen im Banken- und Finanzsektor zu eröffnen und voranzutreiben. Neben mir als Initiatorin möchte ich natürlich die Mitgründer – meine Kollegen Jan Bohnhorst und Konstantin Wolf von TOA und Zebralog erwähnen.
<< Die große Resonanz hat gezeigt, dass das Thema Conscious FinTech auf einen Nerv der Zeit gestoßen ist – ein wichtiges, aber noch zu wenig diskutiertes Feld. >>
FNG: Welche Themen haben Sie dort bislang diskutiert?
Hufeland: Zunächst ging es uns darum, Player aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzubringen. So haben wir festgestellt, dass es befruchtend ist, Startups bzw. Innovatoren aus dem Finanz- und dem Social-Impact-Bereich zum verstärkten Austausch anzuregen. Mit dabei waren beispielsweise Vertreterinnen bzw. Vertreter der Spendenplattform Betterplace, des „Company Builder“ Finleap, des Payment-Dienstleisters Greenclick und der Crowdinvesting-Plattform bettervest sowie des Impact Hub, einem Netzwerk für Social Impact-Startups. Die große Resonanz hat gezeigt, dass das Thema Conscious FinTech auf einen Nerv der Zeit gestoßen ist – ein wichtiges, aber noch zu wenig diskutiertes Feld. Berlin ist hierfür ein guter Ort und wir werden das Thema weiter vorantreiben.
Ein weiteres Thema war die Blockchain-Technologie, bei der es sich um eine Art dezentral verwaltete Datenbank handelt. Auf ihr basieren bereits viele FinTech-Anwendungen und ihr wird ein großes innovatives Potenzial zugesprochen, das tatsächlich eine sehr starke Wirkung auf den Finanz- und Bankensektor und darüber hinaus ausüben könnte.
Im Rahmen des zweiten „Conscious FinTech Meetup Berlin“ hat Brett Scott einen Einstieg in die „Ethics of Blockchain“ gegeben. Der Blogger und Aktivist aus London ist Autor des in der Szene viel beachteten Essays How Can Cryptocurreny and Blockchain Technology Play a Role in Building Social and Solidarity Finance?, den er im Auftrag des Research Institute for Social Development der Vereinten Nationen verfasst hat.
Persönlich haben mich der Vortrag, die Vorbereitungen und die Gespräche, die sich daraus entwickelt haben, dahingehend inspiriert, dass Blockchain und Social-Entrepreneurship im Finanzbereich – und natürlich nicht nur dort – zusammen gedacht werden müssen. Dafür entwickeln wir gerade ein Format.
<< Insbesondere die größeren Banken befassen sich bereits selbst in ihren Innovations-Abteilungen mit FinTech. >>
FNG: Verschiedene Studien prognostizieren der Finanzwirtschaft Umsatzeinbußen und Arbeitsplatzverluste durch FinTech. Wie nimmt die Branche aus ihrer Erfahrung das Thema wahr?
Hufeland: Generell sind sich die ISB-Mitgliedsbanken des Themas bewusst und nehmen es auch ernst. Insbesondere die größeren Banken befassen sich bereits selbst in ihren Innovations-Abteilungen mit FinTech. Eine kürzlich durchgeführte Befragung unter den ISB Mitgliedern, die bald als Studie vorliegen wird, hat gezeigt, dass sich die deutliche Mehrheit mit digitalen Produkten und Dienstleistungen beschäftigt. Etwa ein Viertel ist bereits strategische Allianzen mit FinTechs eingegangen, um Inspirationen zu gewinnen und mit der Geschwindigkeit der Entwicklung schrittzuhalten.
Grundsätzlich ist die Beobachtung richtig, dass im Zusammenhang mit FinTechs neue Markteilnehmer mit innovativen Produkten und Dienstleistungen als Wettbewerber zu bestehenden Playern auftreten. Es muss aber auch gesagt werden, dass um FinTechs derzeit ein großer Hype gemacht wird. Beispielsweise werden viele FinTechs faktisch vornehmlich entwickelt, um dann verkauft zu werden. Häufig werden die Finanzdienstleistungen von Banken durch FinTechs ergänzt, selten allerdings ersetzen sie Banken. Allerdings müssen sich Banken wohl daran gewöhnen, einen Schritt zurück zu treten, da immer häufiger Banking statt Banken gebraucht wird.
Im Rahmen der 9. Internationalen Summer School on Social Banking and Finance, die dieses Jahr Digitalisierung & FinTech zum Schwerpunkt hatte und mit Estland in einem der führenden Länder in Sachen Digitalisierung stattgefunden hat, haben die Teilnehmer in Laboratmosphäre genau an der Schnittstelle Social Bank und Conscious FinTechs Prototypen entwickelt und präsentiert. Ich bin sicher: Das war erst der Anfang!
<< Die Blockchain-Technologie ermöglicht in Zukunft auch in anderen Bereichen eine Entwicklung mit Potenzial für mehr Nachhaltigkeit. >>
FNG: Wenn eher die Chancen gesehen werden, in welchen Bereichen liegen besondere Potenziale – gerade auch mit Blick auf Nachhaltigkeit und Nachhaltige Geldanlagen?
Hufeland: FinTechs könnten Impulse für eine Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit geben. Und zwar insbesondere in den Bereichen, wo Transparenz und Fairness gesteigert werden können, direkte Beziehungen aufgebaut werden, finanzielle Inklusion möglich wird, Menschen befähigt werden, Community Building und menschlicher Kontakt gefördert wird. Auch für Banken als Anbieter von Finanzdienstleistungen bieten sich hier Anknüpfungspunkte und Potenziale.
Die Blockchain-Technologie ermöglicht in Zukunft auch in anderen Bereichen eine Entwicklung mit Potenzial für mehr Nachhaltigkeit. Gearbeitet wird derzeit beispielsweise an Provenance, einem auf der Blockchain-Technologie basierendem System, mit welchem Produkte und deren Lieferketten transparenter und nachvollziehbarer werden sollen. Oder Open Bazaar – ein Open Source-Projekt, welches Peer-to-Peer-Commerce durch ein dezentrales Netzwerk ermöglicht. Ein anderes Beispiel ist gridsingularity – ein Projekt, das den Austausch von Energie-Daten dezentralisieren möchte.
FNG: Vor einiger Zeit wurde die die fünftgrößte Bitcoin-Börse Bitstamp gehackt. Die Verluste für die Anleger beliefen sich auf einen Wert in Höhe von fünf Millionen US-Dollar. Ist es nicht doch einfach sicherer, neuen technologischen Entwicklungen wie z. B. FinTech zunächst abwartend gegenüber zu stehen?
Hufeland: Zu dieser Frage lässt sich kaum eine generelle Aussage treffen. Eine gewisse kritische Distanz kann sicher nicht schaden. Klar ist aber auch: Wer nichts riskiert, verbaut sich ggf. auch die Mitgestaltung und Teilhabe an zukunftsträchtigen Entwicklungen.
Konkret mit Blick auf digitale Währungen ist hervorzuheben, dass Bitcoin bislang keine Auswirkungen auf das Finanzsystem gehabt hat, geschweige denn Veränderungen hervorgerufen hat. Andere alternative Währungen wie beispielsweise die Regionalwährungen haben zumindest bislang in Bezug auf eine nachhaltigere Wirtschaftsweise mehr bewirkt.
Interessant ist – wie bereits erwähnt – die hinter Bitcoin liegende Blockchain-Technologie und in diesem Zusammenhang die auf dieser Technologie basierende jüngere Kryptowährung „Ether“, die mehr kann als Bitcoin. So ist sie nicht nur Währung, sondern gleichzeitig Abrechnungsstelle.
<< Wir arbeiten derzeit am nächsten Conscious FinTech Meetups und legen den Fokus darauf, uns international zu vernetzen und das Thema weiter voran zu bringen. >>
FNG: Können Sie uns zum Abschluss einen Ausblick auf Ihre Planungen zum Thema FinTech geben?
Hufeland: Im November wird es in Berlin ein internationales zweitägiges Expert Exchange Lab für ISB-Mitgliedsbanken zum Thema Digitalisierung und FinTech geben. Hier werden insbesondere die digitalen Herausforderungen und Chancen für Banken im Zentrum stehen. Über Best Practice und Fallstudien sollen die Teilnehmer in einen Austausch kommen. Ziel ist es hier auch, Raum für Vernetzung zu schaffen. Gerade in einer digitalen Welt müssen Innovationen nicht lokal gehortet werden, sondern können kollaborativ angewendet, getestet und zusammen (weiter-)entwickelt werden.
Wir arbeiten derzeit am nächsten Conscious FinTech Meetups und legen den Fokus darauf, uns international zu vernetzen und das Thema weiter voran zu bringen. Das nächste Conscious FinTech Meetup findet am 10. November 2016 im Impact Hub Berlin statt – dort soll eine kollaborative Definition zu Conscious FinTech entwickelt werden. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.
Weitere Informationen zu den Concsious FinTech Meetups sind unter https://www.facebook.com/consciousfintech/ und https://www.meetup.com/de-DE/conscious-fintech/ zu finden.
Das Interview führte Gesa Vögele.